Endlose Nachtfahrt …
Die Straße zieht sich wie ein schwarzes Band in die Ferne. Nur ich und ein paar müde Laster, die schwerfällig durch die Dunkelheit dröhnen. Das Autoradio singt von Liebe, von Sehnsucht, von Herzen, die sich finden sollen. Doch diese süßliche Musik lullt mich nur ein – sie klingt wie ein Wiegenlied für Paare, die längst eingeschlafen sind. Meine Lider werden schwer. Die Heizung atmet zu warm in den Innenraum, und ein gefährliches Verlangen flammt in mir auf: nur eine Sekunde die Augen schließen… nur eine Sekunde.
Mit einem entschlossenen Klick senke ich alle Fenster. Sofort stürzt kalte Nachtluft herein, beißend, schneidend, als wollte sie mich bestrafen. Sie piekst in mein Gesicht wie tausend feine Nadeln. Ich bin wieder wach, hellwach. Doch schon bald kriecht die Kälte in meine Knochen. Also drehe ich die Heizung hoch, mache es mir erneut kuschelig warm – und merke, wie die Müdigkeit zurückschleicht. Ein endloses Spiel von Wärme und Frost, ein Pendeln zwischen Schlaf und Wachen. So geht es Kilometer um Kilometer.
Und dann, in der Ferne: ein Leuchten. Zuerst nur ein matter Schein, dann klarer, kräftiger. Rote Neonstreifen zeichnen die Silhouette einer Tankstelle am Rastplatz. Eine moderne Oase mitten in der Asphaltwüste. Ich spüre, wie sich etwas in mir entspannt – gerettet. Hierher zieht es die Verzweifelten, die sich mit letzter Kraft von Leitplanke zu Leitplanke geschleppt haben.
Das Auto bekommt seinen Schluck Benzin, ich meinen Kaffee. Das Burger-Restaurant ist eine Bühne, auf der sich die Nachtgesellschaft versammelt hat:
Am Fenster ein Mann, drei leere Pappbecher vor sich, der vierte in der Hand. Sein Blick ist starr, wie festgeschraubt auf etwas Unsichtbares. Ich stelle mir vor: ein LKW-Fahrer, dem der Fahrtenschreiber gnadenlos die Zeit diktiert. Gefangen in Vorschriften, in Kilometern, in Terminen – und nun in diesem Kaffee.
Schräg gegenüber eine Familie, ausgelaugt vom Urlaub, der längst nur noch Erinnerung ist. Ihre Haut trägt das fahle Nachglühen der Sonne. Ein Kind hängt wie bewusstlos in grotesker Haltung über dem Stuhl, das andere quengelt und zerrt an der Geduld der Eltern. Ihre Urlaubserholung ist verbraucht, bevor sie ihr Zuhause erreicht haben.
In der Ecke ein anderes Schauspiel: Damen mit lackierten Fingern, Lippen noch frisch vom Rouge, in Gesellschaft allzu eifriger Herren. Sie bringen Kaffee, Cola, Hamburger – kleine Opfergaben, mit dem stummen Verlangen nach späterer Belohnung. Vielleicht kommen sie aus einer Diskothek, die Musik noch im Blut, die Nacht noch nicht bereit, sie gehen zu lassen. Sie sind laut, aufgedreht, lachen zu schrill, wie Menschen, die Angst vor der Stille haben.
Ich nippe an meinem Kaffee, sehe sie alle an, wie Gestalten aus einem Traum, den man am Morgen schon wieder vergisst. Dann stehe ich auf, verlasse die helle Insel im Dunkel der Nacht und setze meine Fahrt fort. Die Straße wartet, endlos, schweigend.

