Eine Neue kommt und steht vorne an der Rezeption.
Es ist mucksmäuschenstill im Wartezimmer. Alle starren teilnahmslos auf ihr Smartphone oder in eine Zeitschrift. Selbstverständlich lauscht niemand.
Was hat sie? Was sagt sie? Warum ist sie hier?
Ein schneller Orientierungsblick geht durch den Raum: Wer ist vor mir dran, wen muss ich abwarten, wer kommt erst nach mir?
„Haben Sie einen Termin? Waren Sie schon einmal bei uns? Ihr Krankenkassenkärtchen bitte!“
Umständlich wird in der Handtasche gewühlt, als stünde plötzlich eine Fahrscheinkontrolle bevor. Endlich – das Kärtchen! Gott sei Dank.
„Nehmen Sie bitte Platz, Sie werden aufgerufen.“
Die Fremde betritt das Wartezimmer. Die Wartenden sind, obwohl sie sich nicht kennen, eine verschworene Gemeinschaft. Keiner blickt auf!
Fremde dringen nur schwer ein.
Wo wird sie sitzen? Wird sie grüßen?
Da – ein verhaltenes „Guten Tag“.
Die Köpfe bleiben gesenkt, ein Brummen hier, ein Nicken dort, kaum mehr.
Sie geht zur Garderobe. Der Metallbügel schlägt hart gegen die Stange – ein Geräusch, das allen fast körperlich weh tut.
Nun das immer gleiche Spiel: Wo sitzt man mit größtmöglichem Abstand?
Sie wählt den hintersten Platz, links die Wand, rechts ein freier Stuhl. Eine perfekte Wahl!
Eine Frauenzeitschrift vom Tisch, ein Blättern ohne Lesen, Seite um Seite.
Jetzt ist sie angekommen. Jetzt ist sie eine von uns.
Ein Neuer kommt und steht vorne an der Rezeption.
Wieder mucksmäuschenstill. Wieder starre Blicke auf Smartphone oder Heft. Niemand lauscht.
Was hat er? Was sagt er? Warum ist er hier?
Schnell ein Orientierungsblick: Wer ist vor mir dran, wen muss ich abwarten, wer kommt erst nach mir?

