Darf ich Dir den Hermann zur Pflege geben?

Brotteig
Mein Vater war Bäckermeister,  und auch wenn er am Ende seines Berufslebens nicht mehr als Bäckermeister gearbeitet hat, so hat es mich als Kind immer sehr beeindruckt, wie er jedes Stück Brot, das ihm begegnet ist, begutachtet hat.

Da wurde am Brot gerochen, es zerrieben, es wurde verkostet mit dem Ergebnis zu viel oder zu wenig Sauerteig, da war es zu kurz oder zu lang ausgebacken, da war die Teigruhe zu lang oder zu kurz, kurzum: Brot backen ist eine anspruchsvollere Kunst als sich der Laie vorzustellen vermag.

Ich erinnere mich, dass mein Vater zu seinen aktiven Bäckerszeiten immer montags gegen 1.00 Uhr nachts in die Backstube musste, um frischen Sauerteig anzusetzen, der dann dem neuen Teig am morgen und in der restlichen Woche zugesetzt worden ist, damit dieser richtig geht.

Heute gibt es da ganz andere Hilfsmittel, die den Sauerteig ersetzen und dem Bäcker den Schlaf gewähren. Ob sie besser sind, lasse ich jetzt einmal unkommentiert.

Ich stelle mir das mit dem Sauerteig so wie mit dem Teig “Hermann” vor, der früher von Hand zu Hand ging und der bei ganz vielen Älteren von uns schon einmal zu Gast war.

Er diente jedermann und jederfrau als Grundlage für ihren neuen eigenen Teig und musste um jeden Preis am Leben erhalten werden.  Nach dem 17. Hermann-Kuchen war man froh, wenn er endlich wieder aus dem Haus war.

Das sagt Wikipedia zu Hermann:
Hermann, auch Glückskuchen, Glücksbrot und Vatikanbrot, ist ein Sauerteig aus Weizenmehl, der Milchsäurebakterien, Hefe und ein wenig Milch, Pflanzenöl oder Wasser enthält. Der Teig ist die Grundlage für die sogenannten Hermannkuchen.

Das Besondere daran ist, dass sich der Ansatz für den Hefeteig durch Fütterung vermehrt und dabei stabil bleibt. Das liegt an enzymatischen Reaktionen der Hefepilze, die den Teig verändern. Eine ähnliche enzymatische Reaktion ist an Kombucha beobachtbar.

Dem Wesen nach sind solche Sauerteigansätze schon seit der Antike bekannt (vergorene Milch und Mehl, ggf. mit Zusatz von Honig). Im deutschsprachigen Raum ist der Name Hermann(-teig) spätestens seit den 1970er Jahren bekannt. Über die Ursprünge des Namens ist jedoch nichts Zuverlässiges bekannt. Üblicherweise erhält man den Teig von Freunden oder Bekannten zusammen mit Instruktionen, die in einem Hermann-Brief genannten Text zusammengefasst sind. Der Ursprung dieses Brauches ist ebenfalls ungeklärt, er entstand jedoch zeitgleich mit der deutschen Friedens- und Ökologiebewegung um 1980 und wurde als Kettenbrief weitergegeben.

Ein ähnlicher Teig ist in den USA unter dem Namen Amish Friendship Bread bekannt. Die Bezeichnung Friendship Bread geht auf ein Sauerteigbrot der Amischen (engl. Amish) zurück, die dieses Brot an Bedürftige verteilt haben. Das süße Kuchenrezept ist jedoch keine Erfindung der Amischen. Der Hermannteig ist eine dem mitteleuropäischen Geschmack angepasste, weniger süße Variante des amerikanischen Rezeptes.
(Ende des Wikipedia Auszuges)

Manchmal kam es vor, dass das Brot innen im Laib große Löcher hatte.
Dies hat mir mein Vater immer damit erklärt, dass da der Bäcker durch gekrochen sei.

Das hat uns als Kinder sehr imponiert und ich habe es selbstverständlich damals und bis heute geglaubt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert